Propylenglykol und ein Richtwert ohne Richtwert

Propylenglykol, oder auch 1,2-Propandiol, ist eine klare, farblose Flüssigkeit, die selber nach fast nix schmeckt und bei uns das Fett in der Suppe ist… also… jetzt nicht wirklich Fett.. das ist mehr so… öhm… egal. Propylenglykol macht, dass es schmeckt.
Zumindest hauptsächlich. Außerdem macht es den Nebel, wenn auch nicht so gut wie Glycerin. Propylenglykol, meistens nur PG genannt, macht also viel Geschmack aber weniger Nebel. Glycerin, auch VG geschimpft, macht zwar dickeren Nebel aber bringt halt auch weniger vom Leckerschmecker rüber. In den meisten Liquids ist heute mehr Glycerin als Propylenglykol, das macht eben die Wolken schön knuffig dick und den Nebel weicher. Aber das Wolkentonikum wird dadurch auch sehr zähflüssig, weil VG so ne dicke Suppe ist. Deshalb haben wir für kleine Dampfen meistens gleichviel von beidem drin.
Auf jeden Fall hat jeder wenigstens so’n bissel PG im Tank, da sind nämlich die Aromen drin gelöst.

Aber Propylenglykol gibt’s nicht erst, seit die Dampfer ihre Wolken schmeißen. Das packen wir schon ziemlich lange in alles mögliche rein. Das kann in Kaugummis sein, in Zahncreme, Mundwasser, Kosmektik und so’n bisschen davon essen wir wahrscheinlich täglich, mit allem, wo leckerschmecker Aromen drin sind.
Außerdem ist unser liebes PG als Lösungsmittel in sehr vielen Medikamenten, teilweise sogar in Halssprays oder Nikotinsprays. Auch wenn’s leider oft behauptet wird, in Asthmasprays ist nix davon drin. Viele von den Dingern sind allerdings eh mit Pulver. Ich konnte auch nur ein Inhalationsmedikament mit PG finden, das gibt’s aber nicht mehr zu kaufen.
Inhaliert hat’s trotzdem ziemlich sicher schon jeder von uns. Propylenglykol ist nämlich in ner Menge Nebelsuppen für die Disco, meist zusammen mit Glycerin. Sogar bei Übungen, wo man Rauch simulieren will… so Feuerwehr und Co… nimmt man Nebel mit PG.

Unser Leben ist also voll von PG. Und das, weil’s so harmlos ist.
Das Zeug hat früher nie jemanden interessiert. Warum auch? Es ist noch keiner von krank geworden und in den Discos sind sie auch nicht reihenweise umgekippt. Aber dann kam die Dampfe und Leute, die mit ihr Wolken machen. Fast alle davon, weil sie keine Lust mehr auf Fluppe hatten oder der lecker Nebel eben besser ist.
Das PG ist immer noch das gleiche, aber jetzt wird’s zum Feindbild für alle, die gegen’s gerollte Blätterwerk kämpfen. Und die Leutchen, die mit Rauchentwöhnung den Apfel auf’s Butterbrot verdienen, mögen das mit dem harmlosen Gewölk erst recht nicht. Die Dampfe nimmt denen schlicht die Kunden weg.

Die haben sich natürlich gefragt, wie man für den Otto auf der Straße aus der Dampfe jetzt das Auspuffrohr des Leibhaftigen macht, damit sie so fies wie die Tabakfluppe rüber kommt. Kann ja nicht so schwer sein, irgendwas im gepafften Nebel zu finden, was mächtig Aua macht, wovon die Leutchens böse Krankheiten kriegen oder früher die Radieschen von unten knabbern können?
Öhm, doch, isses… dumm gelaufen.
Denn außer Wasser, Propylenglycol, Glycerin, so’n klitzekleines Fitzelchen Nikotin und vielleicht noch einem Hauch Aroma, findet man nix im Dampf… zumindest nicht in Mengen, die irgendeine Sau interessieren würden. Klar, man kann versuchen, diese Spuren an Böszeug mächtig aufzublasen, oder einfach nur sagen, dass es drin ist… nicht wie wenig. Wird ja auch lustig gemacht. Nur spielt man da “Kaiser ohne Kleider”. Irgendwann merken’s die Leutchen vielleicht, dass man da nur nen Floh zu nem Jumbojet aufgeblasen hat.
Was man braucht, so für Plan B, ist was, wovon ne Menge im Dampf drin ist: Propylenglykol. Blöd eben nur, dass das so harmlos ist.

Da lässt sich doch bestimmt was machen?! Wie wär’s für den Anfang, wenn Warnhinweise auf das Zeug drauf müssten? Supi Idee.
Also schnappt man sich ne komische Studie, die weder ne richtige Studie ist, noch irgendwas beweist, und lässt die BAuA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) damit zur ECHA (European Chemicals Agency) nach Helsinki dackeln. Die sollen nämlich mal hoch offiziell festtackern, dass Propylenglykol die Atemwege reizt. Dann muss auf alles mit PG ein schön böses Symbol drauf und die Dampfe wär schon mal ein heftiges Stück fieser.
Nur leider Blasetorte, die ECHA ist auf das dünne Brett nicht gesprungen, hat gemerkt, was für ein Blödsinn das ist und den Antrag der BAuA mit Tusch und Konfetti abgelehnt.

So… und nu? Irgendwie muss man Propylenglykol doch wenigstens so’n bissel böse kriegen. Einen MAK-Wert (Maximale Arbeitsplatz Konzentration) gibt’s für das Zeug nicht, selbst wenn es von den Dampfenhassern gerne immer wieder rausgehauen wird. Warum auch, tut ja keinem was?!
Gibt’s nicht noch irgendwas anderes? Aber klar, den Richtwert. Den kann man doch fix festlegen und sich PG schön gemein rechnen. Gesagt, getutet! Schwupps, hat man sich nen Richtwert gebastelt, der echt der Oberhammer ist. Und wie man sich den gebastelt hat, ist auch nicht von schlechten Stiefeltern.

Erst mal vorweg: Was ist nun dieser lustige Richtwert? Eigentlich ja nix wirklich dummes… wenn man’s richtig macht. Da gibt’s den Richtwert (I), wenn man den erreicht, dann ist immer noch alles in Tüte. Erst beim Richtwert (II) wird’s brenzlig. Kommt man an den ran, dann muss sofort was passieren. Zusammengeklöppelt werden diese Werte von der sogenannten “Ad-hoc-Arbeitsgruppe”. Da sitzen Leutchen von der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) und Mitglieder der Innenraumlufthygiene-Kommision (IRK) beim Umweltbundesamt drin. Letztere ist übrigens die witzige Truppe, die schon mal rausgehauen hatte, beim Dampfen würde Feinstaub entstehen.

Und diese Profis haben sich nun angeguckt, was es so an Studien zum PG gibt. Neben der Studie, die man schon der ECHA unterschieben wollte, schnappte man sich nun vor allem Sachen mit Tieren. Und ein paar gibt’s da auch. Da wurden vor allem Ratten, aber auch Hunde und Kaninchen, mit massig fetten Konzentrationen von PG benebelt. Nur in einer Studie passierte mit den Nagern überhaupt was nennenswertes, die kriegten nach zwei Wochen nämlich Nasenbluten.
In den ganzen anderen Studien passierte so ziemlich nix. Nur eben in dieser einen Studie. Irgendwie komisch… Gucken wir uns die doch mal kurz genauer an.
Da packte man sich Ratten und nebelte die sechs Stunden am Tag und fünf Tage in der Woche mit heftig viel PG zu, 13 Wochen lang. Mehr oder weniger also wie bei den anderen Studien… so grob. Aber eine Sache war doch anders, die Ratten kriegten den Nebel nur über die Nase reingepustet. Mettbällebad und Extratusch!
Eigentlich fast ein Wunder, dass das mit dem Nasenbluten trotzdem noch ganze zwei Wochen gebraucht hat. Was genau der Grund für die rote Rotze bei den armen Nagern war, konnten sich die Weißkittel aber nicht so ganz zusammenreimen.
Öhm… jo… vielleicht kann ich helfen?!

PG kann eine Sache richtig dolle, nämlich Wasser anziehen und bei sich halten. Deshalb wird’s ja auch gerne als Feuchthaltemittel genommen. Ist der Gedanke jetzt echt zu abwegig, dass bei den Ratten einfach die Schleimhäute so’n bissel trocken liefen? Und so ne furztrockene Nase kann eben schon mal bluten. Nur so ne Idee. Das PG selber hat da zumindest ziemlich sicher nicht gewütet.
Fällt ja irgendwie auch auf, dass in den anderen Studie die Näslein der Tierchen nix von sich gelassen haben… schon komisch.

Die Rasselbande von der “Ad-hoc-Arbeitsgruppe” hatten das irgendwie nicht so gesehen und alle anderen Studien mal fix ignoriert. Anschließend wurschtelten sie sich einfach daraus was passendes und setzten für Propylenglykol den Richtwert (I) auf 0,06mg/m3 und den Richtwert (II) auf 0,6mg/m3 fest. Geile Tomate.
Da’s auch keine vernünftigen Studien mit Menschen gibt… die nimmt man nämlich normalerweise lieber, wenn so’n Richtwert gestrickt wird…, fand die Gruppe, eine mit Ratten reicht volle Kanne. Natürlich die, mit dem Nasenbluten.

Es ist schon mehr als merkwürdig, wie diese Richtwerte geschustert wurden, aber geiler wird’s, wenn man sich anguckt, was diese Richtwerte bedeuten. Vergleichen wir die doch mal mit Sachen, wo wir wirklich Schiss vor haben.
Nehmen wir zum Spaß Formaldehyd und Acetaldehyd, die Böslinge, die fast jeder kennt. Wenn man von denen nur Spuren im Nebel findet, machen die Wolkenhasser ja sofort Giftgas aus unserem leckeren Gewölk. Dabei sollten die sich lieber um das voll fiese Propylenglykol kümmern, wenn’s nach den Richtwerten geht. Vom Formaldehyd gibt’s nur nen Richtwert (I), aber der ist mit 0,1mg/m3 fast doppelt so hoch wie der von PG. Beim Acetaldehyd ist’s das gleiche, bei Richtwert (I) und (II).
Da kann man ja gleich Formaldehyd pur dampfen, laut Umweltbundesamt ist das gesünder. Feuerwerk mit Lutschbonbon.

Seit Jahrzehnten donnern wir unsere Discos mit PG-Nebel zu, blutige Nasen gibt’s da höchstens mal, wenn irgend’n Kerl im Suff seine Griffel nicht bei sich halten kann… oder in der Koksecke bei den Schlipsträgern. Millionen Dampfer ziehen sich auch schon ne ganze Weile das Zeug durch die Nüstern, roter Rotz wär mir als Nebenwirkung neu. Es gibt sogar Nasenspray, da ist Propylenglykol drin.

Ich bin echt’n Fan von Richtwerten, ohne Scheiß. So’n bissel wissen, wo’s noch gut und wo’s dann aua ist… gar nicht mal so blöd. Aber ein Richtwert, der nicht nach echten Fakten, sondern nur nach ner Ideologie zusammengeklöppelt wurde, ist noch schlimmer als keiner. Was hier vom Umweltbundesamt mit Propylenglykol durchgezogen wurde, ist einfach nur Kuhkot.

Überhaupt auf die Idee zu kommen, PG bräuchte nen Richtwert, gibt schon Szenenapplaus. Sich dann aber auch noch ne Studie rauspicken, wo’s mehr Fragen als Antworten gibt, alle anderen Studien mal schwupps untern Tisch kullern lassen und sich dann auch noch lustig was passendes zusammen rechnen… Das ist schon ne Laola wert. Hat’s bei der ECHA nicht geklappt, haben sie hier nen geilen Job gemacht.
Was die da verzapft haben, ist wissenschaftlicher Blödsinn und moralisch einfach nur Scheißendreck.

– – –

Bekanntmachung der Richtwerte für Propylenglykol des Umweltbundesamt: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00103-017-2631-9.pdf

Liste der Richtwerte: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/355/bilder/dateien/0_ausschuss_fuer-innenraumrichtwerte_empfehlungen_und_richtwerte_20180412.pdf

Was sind die Richtwerte für Innenraumluft: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/kommissionen-arbeitsgruppen/ausschuss-fuer-innenraumrichtwerte-vormals-ad-hoc

5 Gedanken zu „Propylenglykol und ein Richtwert ohne Richtwert“

  1. Zumal ich denke dass, das kein Blut war sondern Hadersches Sekret. Das wird unter anderem bei Stress rot/orange und wenn die Ratten über Wochen PG direkt in die Nase gepustet bekommen, waren die mit Sicherheit nich tiefen entspannt.

  2. Da die Tabak Industrie ein Nummer härter kämpft wie die PharmaMafia wundert mich garnicht. Ich warte noch vergeblich auf die erste poliglikolbeschädigten

  3. Vielleicht soll das Ganze ja der Vorbereitung für die Einbindung der Dampfe ins Nichtraucher-“Schutz”-Gesetz dienen?

Kommentare sind geschlossen.