Ein Video auf Wanderschaft

Eigentlich wollt ich’s ja noch nicht mal ignorieren, war mir einfach zu blöd… sogar zu blöd für die Pressewurst. Aber konnte ich wissen, dass diese Ausgeburt minimalistischer Journalismuskompetenz derart durch die Medien rauscht?! Also doch jetzt… aufi gemma.

Worum geht’s? Es geht um ein audiovisuelles Machwerk der Viralvideoschmiede Bit Projects GmbH aus Hamburg.
Wer sich gerne mal Spiegel Online, Stern Online oder Focus Online reinzieht ist auch bestimmt schon mal über eins ihrer Werke gestolpert. Das sind dann die supidupi “dein Handy läd schneller, wenn du’s vorher ausschaltest” Livehack-Videos, so’n Hit wie “Der Elfmeter des Grauens” oder investigative Knaller wie “Bagger zeigt Ballett-Einlage auf Baumstamm”… musst du gucken! Also… öhm… wenn sonst nix in deinem Leben passiert.

Die Leutchen von Bit Projects machen vor allem kleine Videos für T-Online.de, Web.de oder eben die Onlineableger von Focus & Co. Die sollen dann mächtig viral laufen oder sind schlicht richtig lecker Clickbait-Köder.
Mit echtem Journalismus hat das so viel zu tun, wie ein Nacktmull mit der Raumfahrt. Dabei geht’s eben nur darum, dass die Leutchen auf diese Seiten stolpern. Also muss so’n Clip voll der lustige, unglaubliche oder spektakuläre Shice sein. Is ja auch nicht weiter schlimm, von mir aus, wer’s braucht. Nur wenn’s eben mehr sein soll, als tanzende Bagger, dann hört’s da irgendwie mit Lustig auf. Wenn das ganze wie Nachrichten angepinselt wird, dann sollte die Sache wenigstens halbwegs passen. Und da sind wir bei unserem Video.

Finden kann man das Meisterstück auf Glomex (Link gibt’s unten). Und der erste, der das voll aktuell rausgehauen hatte, war Focus Online. Worum geht’s in dem Clip?

Man sieht erst mal Bilder von einer Überwachungskamera in nem Handyshop, wo ein Typ kurz am Knöpfchen seines Mechmods rumwurschtelt, das Ding dampfen will und es ihm gehörig um die Ohren fliegt. Dann sieht man Bilder von nem echt mal heftig zerdepperten Typen, mit ordentlich Blut, dafür weniger Zähnen, dem offensichtlich eine Dampfe im Gesicht hochgegangen ist. Und das soll eben der Typ aus dem Video sein.
Jetzt wird noch schnell ein Artikel vom Innocigs-Blog eingeblendet und der Inhalt zusammengeschrumpft auf: Jupp, E-Zigaretten explodieren, aber es liegt an Billigakkus ohne Sicherheitsgedöns.
Okay, so’n bissel genauer ist der Artikel auf der Seite von Innocigs eigentlich schon und das mit den Akkus ist bei denen nur ein Grund von vielen.
Aber zurück zum Video. Da ist nämlich mal megaklärchen, dass E-Zigaretten also “brandgefährlich” sein können. Aber es sind nicht nur die Akkus, die mächtig Badabumm verursachen, wie uns das Video fachmännisch aufklärt, sondern auch das sogenannte “Subohmsmoken”.

Ui, schon bei dem Namen schlottern die Knöchel. Das Subohm… ähm… smoken also. Gut, dass die Clipwurschtler von Bit Projects von der Sache eh keine Ralle haben, dürfte wohl schon längst klar sein, da will ich mich auch nicht mehr über das “smoken” Ding aufregen. Viel schlimmer ist, dass das Problem mit der Kawummdampfe in dem Video fast nix mit Subohmdampfen zu tun hatte… also nicht direkt. Viele Leutchens dampfen nämlich Subohm, die wissen’s oft noch nicht mal. Subohm ist nämlich jede Coil unter einem Ohm… wer hätt’s gedacht.
Aber jetzt mal kein Paniktröpfchen in die Unterhose dröppeln, für echte Angst gibt’s keinen Grund. Dass dem Typ im Video die Dampfe in die Kauleiste puffte, lag daran, dass er mit nem Mechmod nebelte. Ein Mechmod ist reine Physik, nix mit Schutzschaltungen und so’n Kram,  schlicht ne Röhre mit Knöpfchen.
Das kann gut geh’n, tut’s auch meistens. Aber es kann halt auch mal zu nem Kurzen kommen, dann gibt’s eben schon mal ein Feuerwerk. Übrigens auch da noch lange nicht jedes mal. Die meisten Akkus werden einfach nur heftig heiß, andere zischeln mal kurz… aber es gibt eben auch die Silvesterfraktion, dann wird’s aua. Und das war eben das Ding in dem Video: Schwupp, ein Kurzer und schon is Neujahr.

Und das war auch das Problem bei dem Mann auf den Bildern, der sich selbst geknippst hatte und das ganze auf Facebook postete. Nur war das eben nicht der Mann, dem in dem Shop die Dampfe hoch ging, wie’s in dem Video tönt. Die Fälle hatten nix miteinander zu tun.
Der in dem Shop ist nämlich ein Typ aus Revere, Massachusetts und der auf den Fotos kam aus Idaho… ich glaub nicht, dass die sich überhaupt gekannt haben.

Klar war der Typ aus dem Shop auch nicht gerade am Stück geblieben, 12 Stiche hat’s wohl auch bei ihm gebraucht. Aber trotzdem war es nicht der Typ auf den Fotos. Denn das war Andrew Hall und dem war seine Dampfe im heimischen Bad um die Ohren… oder besser gesagt, in die Kauleiste gedonnert. Das war auch’n Mechmod, klar. Aber der hat die Fotos nicht bei Facebook in die Gemeinde geschleudert, weil der vor’m Dampfen warnen wollte. Dem ging’s um was ganz anderes.

Als dem die E-Fluppe ausgaste, gab’s in den USA nämlich noch die Regelung, dass Händler von E-Zigaretten ihre Kunden weder beraten durften, noch denen sonst wie helfen. Und so hatte der Typ versucht, seinen Mechmod selbst zu wickeln. Nur leider hatte der vom Ohmschen Gesetz noch weniger Ahnung, als von Tuten und Blasen. Und der Shop, bei dem er den Mechmod gekauft hatte, durfte ihm weder sagen, was Sache ist, noch ihm das Ding einfach gleich neu Wickeln.
Also hatte der sich gedacht, Draht ist Draht, ich mach ne Spule, zieh da Watte durch und lass es nebeln. Kurzschluss is, wenn die Fresse blutet.
In’s Netz gestellt hat er die ganze Soße also vor allem, um eben auf dieses bekloppte Gesetz hinzuweisen. Das wurde mittlerweile auch tatsächlich geändert.

Aber das sind alles längst olle Kamelle, darüber hatte Vapers.guru schon letztes Jahr nen guten Artikel rausgehauen. Das ganze ist nämlich nix aktuelles, das passierte schon im Januar 2017… auch das in dem Shop, mit dem Video.

Hätten die bei Bit Projects alles wissen können, hätten sie nur so’n bissel aufgepasst. In dem Blogartikel bei Innocigs steht das mit Andrew Hall nämlich drin. Weiter unten… muss man eben lesen.

Dieses Video soll nicht aufklären, das soll nur eins: Schlotter in die Knie machen. Ui, E-Zigaretten explodieren! Dafür wurde ein Video aus uraltem Material zusammengeschustert, Märchen erzählt und Halbwahrheiten rausgedonnert.
Großes Kino und ne Mettbällchenpartykanone!

Klar kann ein Akku in ner Dampfe hochgehen, Litium-Ionen Akkus sind eben kleine Kraftpakete, bei denen es Wumm machen kann. Egal ob in Dampfen, Laptops, Handys oder sonst wo. Aber fast alle Dampfen auf dem Markt haben massig Schutzzeug drin, das passt dann auch.
Wer mechanisch dampfen will, der muss eben wissen, was er tut. Wenn man da aufpasst, sich auskennt und keinen Blödsinn fabriziert, dann geht das auch klar.
In den USA sind in den letzten Jahren weniger als 0,2% aller Dampfen “explodiert” und bei Millionen von Dampfern gibt es nur so um den dreh 100 Leutchens, die sich in der Zeit den Schnabel… oder sonst was… an der Dampfe verbrannt haben. Das ist nicht toll, klar, aber echte Gefahr sieht anders aus.
Dafür braucht’s vor allem kein so idiotisch zusammengeschustertes Video von ner Clickbaitschmiede.

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Komplettes Video bei Glomex: https://www.glomex.com/de/video/v-bkytdnltxhb5/

Nur das Video von der Überwachungskamera: https://www.youtube.com/watch?v=S_nM04sFJ_s

Artikel in der DailyMail über den Vorfall im Shop: http://www.dailymail.co.uk/news/article-4101228/Terrifying-CCTV-shows-e-cigarette-explode-office-worker-s-face-goes-puff.html

Link zum Blogeintrag auf der Seite von Innocigs: https://www.innocigs.com/blog/explodierende-e-zigaretten-ursache/

Artikel auf Vapers.guru: E-Zigarette explodiert in Idaho

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