Die Überschrift ist natürlich Absicht. Ich hätte auch fragen können, wie schädlich E-Zigaretten sind. Aber bei einem Sandkorn fragt man ja auch eher, wie klein es ist und nicht, wie groß. Das hat was mit Relationen zu tun.
Relationen sind wichtig. Damit wir Dinge richtig einschätzen können. Wenn ich erklären will, wie groß mein neuer Swimmingpool ist, kann ich sagen, wie viele Quadratmeter der hat. Eine eindeutige Einheit. Aber so wirklich vorstellen kann sich das trotzdem keiner. Besser ist es, wenn ich ihn mit etwas vergleiche, das jeder sich vorstellen kann. Ein Tennisplatz zum Beispiel. Mein Planschgewässer ist halb so groß wie ein Tennisplatz. Schon ist das Bild im Kopf.
Das klappt natürlich nur mit etwas, dass auch irgendwo in der selben Liga spielt. Zum Beispiel wäre der Bodensee eher eine schlechte Idee. Obwohl den auch fast jeder kennt. Aber komme ich damit, dass mein Pool etwa 0,00006% so groß wie der Bodensee ist, ernte ich nur leere Blicke.
Was hat jetzt mein Swimmingpool, den ich gar nicht habe, mit der E-Zigarette zu tun? Wie gesagt, es geht um Relationen. Das gilt ganz besonders für die Schädlichkeit der E-Zigarette. Denn Schädlichkeit kann man nicht so einfach wie die Fläche eines Planschbeckens angeben. Es gibt keine Einheit dafür. Ich muss zwangsweise mit einem Vergleich arbeiten. Und bei der E-Zigarette bieten sich zwei mögliche Vergleiche an: Atemluft und Zigarettenrauch.
Ein Vergleich ist nicht einfach.
Besonders die Gegner der E-Zigarette nutzen reine Atemluft als Referenz. Nicht ohne Hintergedanken. Denn sie beziehen sich auf eine Idealvorstellung von “Atemluft”. Einem Konstrukt. Irgendwas in Richtung frischer Bergluft. Mit glücklichen Kühen. Und einem kleinen gruseligen Bären, der Kondensmilch mag. Damit kann natürlich nichts mithalten. Im Vergleich dazu sind selbst Rülpse Chemiewaffen.
Neben anderen Gedankenfehlern blenden die Wolkenfeinde jedoch eine Sache ganz bewusst aus: Es gibt die eine reine Atemluft gar nicht. Das ist ja kein normierter Begriff. Und die wenigsten Menschen leben in den Bergen. Es ist jedoch ein riesiger Unterschied, ob ich in einem kleinen Bergkaff atme oder in der Großstadt. Es kann tatsächlich schädlicher sein, in einer Großstadt zu atmen als an einer E-Zigarette zu ziehen. Aber dazu kommen wir noch.
Erst mal kümmern wir uns um die zweite sinnvolle Referenzgröße, Zigarettenrauch. Die E-Zigarette ist als Alternative zur Zigarette erfunden worden. Es ging am Anfang also um nur eine Sache: Menschen mit der E-Zigarette vom Rauchen wegzubekommen. Logischerweise sind daher auch fast alle Dampfer ehemalige Raucher.
Aus diesem Grund ist es also absolut legitim, den Nebel von E-Zigaretten mit Zigarettenrauch zu vergleichen. Schon alleine, damit Raucher eine Vorstellung davon haben, worauf sie sich bei der E-Zigarette einlassen. Für sie ist schließlich nur wichtig, ob sie einen Vorteil davon haben, wenn sie umsteigen.
Aber auch hier gibt es ein Problem. Denn kaum ein Genussmittel ist so schädlich wie Zigaretten. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Hälfte aller Raucher an den Folgen des Rauchens sterben. Rauchen kann tödlich sein. Egal, was ich also mit Zigaretten vergleiche, es schwingt immer dieses tödliche mit. Ein bisschen tödlich ist für die meisten Menschen eben immer noch tödlich. Erst recht, wenn es irgendwie auch “Zigarette” heißt.
Die Realität ist jedoch, dass die Zigarette wie der Bodensee ist und die E-Zigarette mein Swimmingpool. Es fehlt uns etwas wie ein Tennisplatz zum Vergleich. Wir haben nur das Konstrukt Atemluft oder die tödliche Zigarette. Das witzige ist, dass wir bei der Atemluft viel näher an der E-Zigarette dran sind als bei Tabakqualm. Warum, dazu kommen wir jetzt.
Mindestens 95% weniger schädlich.
Das britische Gesundheitsministerium (Public Health England) hatte zum ersten Mal 2015 eine Risikoeinschätzung der E-Zigarette vorgenommen. Es stützte sich dabei auf die Arbeit des Londoner Royal College of Physicians, eines der renommiertesten Institute weltweit. Dabei kam es zum Ergebnis, dass E-Zigaretten nur einen Bruchteil so schädlich sind wie Zigaretten, mindestens 95% weniger. Zuletzt wurde diese Einschätzung 2022 aktualisiert und bestätigt(1). Bei den 5% Restrisiko geht es übrigens nicht nur um direkte Schädlichkeit. Darin stecken auch Sachen wie eine mögliche Sucht oder soziale Ausgrenzung. Sie enthalten also viel “Sicherheitspuffer”.
Eine Metastudie aus den USA(2) kommt sogar zu einem noch klareren Ergebnis. Die Autoren schauten sich viele verschiedene Studien an, die den Schadstoffgehalt des Nebels von E-Zigaretten untersucht hatten. Aus den Ergebnissen wurden die Risiken für eine Vielzahl von Krankheiten berechnet. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die E-Zigarette ein um 97% geringeres Schadenspotenzial als Zigaretten hat. Sie bestätigt somit die Einschätzung der britischen Wissenschaftler.
Es fehlen die Schadstoffe.
Es ist also unzweifelhaft, dass Dampfen weit weniger schädlich ist als Rauchen. Und das verwundert auch nicht, wenn man sich den Nebel genauer anschaut. Eine französische Studie(3) hat das 2021 getan. Die Franzosen fanden, verglichen mit Zigarettenrauch, im Nebel der E-Zigarette durchschnittlich 99,79% weniger Carbonylverbindungen (z.B. Formaldehyd), und 99,42% weniger PAH (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe wie z.B. Naphthalin). Alles in allem also über 99% weniger Schadstoffe.
Aber es wurden nicht nur um Größenordnungen weniger Schadstoffe gefunden. Die gefundenen Mengen waren so gering, dass sie praktisch gesundheitlich irrelevant sind.
Jetzt dürfte klar sein, warum die E-Zigarette mehr mit normaler Atemluft gemein hat, als mit Tabakqualm. Und deshalb kann Stadtluft ungesünder sein als Dampfen. Der Mensch atmet übrigens über den Tag hinweg selber mehr Formaldehyd und Acetaldehyd als Stoffwechselprodukte aus, als er durch die E-Zigarette üblicherweise im gleichen Zeitraum inhaliert. Der Atem eines Menschen ist eben auch keine frische Bergluft.
Auch Metalle sind rar.
Dann sind da noch die Metalle. Auf die wird ja vor allem in den Medien immer wieder hingewiesen. Die sollen ja so furchtbar ungesund sein. Auch Gegner der E-Zigarette und einige Politiker greifen das immer wieder auf.
Und ja, es wurden tatsächlich Metalle gefunden(4). Doch kamen sie in einer extrem geringen Konzentration im Nebel vor. Wie gering, zeigt sich, wenn wir den Grenzwert für inhalative Medikamente als Gradmesser für ein potenzielles Risiko nutzen. Um diesen Grenzwert zu erreichen, müsste ein Dampfer schon Literweise Liquid wegdampfen(5). Bei Blei wird der Grenzwert ab 135ml Liquid am Tag überschritten. Für Aluminium braucht es gar eineinhalb Tonnen Liquid. Am ungünstigsten sieht es bei Nickel aus. Aber selbst hier benötigt ein Dampfer etwa 17ml für den Grenzwert.
Also, ja, es können Metalle im Nebel der E-Zigarette vorkommen. Aber die Mengen sind zu gering um gesundheitlich relevant zu sein.
Ein verschwindend geringes Risiko.
Dass die E-Zigarette so wenige Schadstoffe produziert, spiegelt sich natürlich auch im Risiko für verschiedene typische Raucherkrankheiten wider. In mehreren Studien(6)(7) konnte gezeigt werden, dass die Nutzung von E-Zigaretten nicht das Risiko für Herzkreislauferkrankungen erhöht. Dazu passt auch, dass sich bereits einen Monat nach dem Umstieg vom Rauchen aufs Dampfen der Zustand der Blutgefäße deutlich verbessert(8). Nutzer von E-Zigaretten weisen dabei ähnliche Werte auf, wie man sie auch bei Nichtrauchern und Nichtdampfern findet.
Auch das Risiko für Bluthochdruck erhöht sich durch die Nutzung von E-Zigaretten nicht(9).
In einer Studie aus den USA(10) konnten bei jungen und gesunden Erwachsenen keine negativen Auswirkungen des Dampfens auf Blutgefäße oder entzündliche Prozesse im Körper festgestellt werden.
Bei Lungenerkrankungen zeigt sich ein ähnliches Bild. Dampfen erhöht nicht das Risiko für eine COPD(11)(12). Eine der häufigsten und schlimmsten Erkrankungen, die Raucher treffen kann. Und mehr noch. Bei Rauchern, die bereits unter COPD litten, verschlechterte sich nach dem Umstieg auf die E-Zigarette die Symptomatik nicht weiter. In einigen Fällen verbesserte sie sich sogar etwas.
Die meisten durch das Rauchen verursachten Todesfälle sind wohl auf Krebserkrankungen zurückzuführen. In erster Linie Lungenkrebs. Eine schottische Studie(13) untersuchte daher, wie sehr die E-Zigarette Einfluss auf das persönliche Risiko hat, im Laufe des Lebens an Krebs zu erkranken. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Dampfer, im Vergleich zu Rauchern, ein um 99,6% geringeres Krebsrisiko haben. Dieses Restrisiko von 0,4% ist so gering, dass es klinisch nicht mehr relevant und daher zu vernachlässigen ist.
Die ewige Leier mit den Langszeitstudien.
Jetzt gibt es ja noch ein ganz spezielles Argument gegen die E-Zigarette. Das sind die fehlenden Langzeitstudien. Ohne die wäre eine Aussage zu langfristigen Folgen unmöglich. Doch das ist schlicht Unsinn.
Denn erstens gibt es für fast nichts im Leben eine Langzeitstudie. Noch nicht mal für Medikamente. Und das klappt irgendwie ganz gut. Aber gerade fürs Dampfen ist so eine Studie überflüssig. Wir wissen genau was im Nebel ist und wir wissen wie das wirkt. Das reicht, um seriös ein Risiko abzuschätzen. Auch für die Zukunft.
Und zweitens stellt sich die Frage, wie lange denn eine befriedigende Langzeitstudie dauern soll? Zehn Jahre? Zwanzig Jahre? Fünfzig Jahre? Oder noch länger? Irgendwer ist immer unzufrieden. Und in der Zwischenzeit? Lassen wir die Raucher sterben.
Wie sollte so eine Studie überhaupt aussehen? Nichtraucher zum Dampfen animieren und ein paar Jahre gucken, was passiert? Das dürfte durch keine Ethikkommission gehen. So eine Studie kann es schlicht nicht geben. Und das wissen alle, die dieses Argument bemühen. Das ist ein reines Scheinargument. Ohne Verfallsdatum.
Ob hundertprozentig sicher ist, dass sich nicht doch irgendwann gravierende negative Folgen zeigen? Nein. Aber nur, weil nichts hundertprozentig sicher ist. Bei nichts. Damit kommen wir aber klar.
Die E-Zigarette gibt es jetzt seit fast 20 Jahren. Sie wird von der Wissenschaft sehr genau beobachtet. Bisher gibt es keinen Anlass zur Sorge.
Die Grundstoffe sind harmlos.
Es gibt auch viele Stimmen, die bereits sie Grundstoffe der Liquids von E-Zigaretten als problematisch bezeichnen. Es wird davon gesprochen, Propylenglykol (1,2-Propandiol) und Glycerin (Glycerol) selber seien bereits Schadstoffe. Das ist schlicht und einfach falsch.
Die ECHA (European Chemicals Agency) hat sich erst 2016 dagegen entschieden, Propylenglykol als atemwegsreizend einzustufen(14). Die Behörde sah für diese Einstufung keinerlei Grundlagen.
Tatsächlich zeigen Studien an Ratten und Hunden(15)(16), dass beide Grundstoffe von Liquids für die Inhalation unproblematisch sind.
Jetzt könnten einen vielleicht die Richtwerte für Propylenglykol in der Innenraumluft(17) verunsichern. Aber nur so lange, bis man weiß, wie die zustande gekommen sind. Für die Berechnung der Richtwerte wurde tatsächlich auf nur eine einzige Studie zurückgegriffen. In dieser Studie bekamen Ratten irgendwann Nasenbluten. Nachdem sie extrem lange extrem viel Propylenglykolnebel eingeatmet hatten. Ignoriert wurden hingegen alle anderen Studien. Bei denen konnten keine negativen Reaktionen der Versuchstiere beobachtet werden.
Worin auch immer die Motivation lag, so absolut lächerliche Richtwerte festzulegen. Aber die passen Hinten und Vorne nicht. Sie sind ja sogar niedriger als der Richtwert für Formaldehyd.
Viele Gegner des Dampfens stören sich auch gerne an den Aromen. Essen, ja. Aber dampfen auch? Sollte kein Problem sein. Dass die in der Lunge groß anders wirken als im Magen oder Darm, dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Eine österreichische Studie konnte zum Beispiel keine Hinweise darauf finden, das Aromen die Blutgefäße schädigen(18).
Es gibt natürlich auch Aromen, die problematisch sein können. Beim Essen und beim Dampfen. Umstritten ist zum Beispiel Diacetyl. Es steht im Verdacht, die sogenannte Popcorn-Lunge (Bronchiolitis obliterans) zu verursachen. Allerdings konnte das bisher nicht nachgewiesen werden. Trotzdem ist seine Verwendung, und die anderer möglicherweise problematischer Aromen wie Cumarin, in E-Zigaretten hierzulande verboten.
“Passivdampfer” können beruhigt sein.
Aus all dem ergibt sich schon, dass sogenannter “Passivdampf” kein großes Ding sein kann. Da ist nichts, vor dem irgendein Nichtraucher oder Nichtdampfer Angst haben müsste. Was durch Studien bestätigt wurde.
Die Autoren einer bayerischen Studie(19) versuchen zwar, irgendwie ein Risiko zu konstruieren. Aber am Ende zeigt die Studie eindeutig, dass “Passivdampfen” ungefährlich ist. Natürlich fand man Propylenglykol und Glycerin in der Luft. Aber das sind keine Schadstoffe. Die äußerst geringen Mengen an Nikotin sind vollkommen harmlos. Formaldehyd konnte bei mehreren Messungen nur einmal in homöopatischen Mengen nachgewiesen werden. Und vom vergleichsweise harmlosen Benzylalkohol fand man 4.400 Mal weniger als nach dem Arbeitsplatzgrenzwert zulässig wäre.
In einer spanischen Studie(20) wurden im Nebel einer E-Zigarette sogar weniger VOC (flüchtige organische Verbindungen) gefunden, als im Atem eines Menschen(21). Und auch eine niederländische Studie(22) bestätigte das Fehlen von relevanten Mengen an Schadstoffen.
Dass ein Dampfer Rücksicht auf seine Umgebung nehmen sollte, versteht sich von selbst. Aber eine wissenschaftliche Grundlage für ein Dampfverbot an öffentlichen Orten gibt es nicht. “Passivdampfen” ist harmlos.
Ansonsten müssten wir übrigens auch Disconebel verbieten. Denn genau das kommt aus der E-Zigarette: Disconebel mit Geschmack.
Nicht alles, was man gerne macht, ist gleich eine Sucht.
Es ist wohl klar, dass Rauchen abhängig machen kann. Man konsumiert etwas, obwohl es einem merklich schadet und es einen umbringen kann. Das erfüllt die wesentlichen Punkte der Definition von Abhängigkeit.
Was genau beim Rauchen abhängig macht, darauf will ich gar nicht im Detail eingehen. Das würde jetzt zu weit gehen. Denn die Faktoren reichen von der Gewohnheit bis hin zum Tabak. Nikotin ist dabei nur eine Komponente unter vielen. Selbst auf stofflicher Ebene, wie die Forschung mittlerweile weiß(23). Das Abhängigkeitspotenzial von Nikotin scheint hingegen ohne Tabak nur sehr gering zu sein(24).
Daher ist es nicht verwunderlich, dass Nutzer von E-Zigaretten deutlich weniger Zeichen einer Abhängigkeit zeigen als Raucher(25)(26).
Leben retten leicht gemacht.
Gleichzeitig kann man aber mit kaum etwas anderem so leicht von der Kippe wegkommen wie mit der E-Zigarette. Die Chance, mit dem Rauchen aufzuhören, ist mit der E-Zigarette um 50 bis 100% größer als mit Nikotinersatztherapien wie Kaugummis, Sprays oder Pflastern(27)(28).
Zudem ist die Gefahr eines Rückfalls sehr gering(29). Wer den Umstieg geschafft hat, kann sich zurecht Nichtraucher nennen.
Natürlich schafft den völligen Umstieg nicht jeder sofort. Viele nutzen Tabak und E-Zigarette, zumindest für eine gewisse Zeit, parallel. Das wird Dual-Use genannt. Für die meisten ist das nur eine Zwischenstation zum ausschließlichen Dampfen. Doch sogar als Dual-User schädigt man sich bereits sehr wahrscheinlich weniger, als wenn man nur rauchen würde(30).
Es geht um die Kinder.
Das letzte große Argument gegen die E-Zigarette, das Medien, Aktivisten und Politiker gerne aus dem Hut ziehen, sind unsere Kinder und Jugendlichen. Ihr Schutz rechtfertigt angeblich radikale Regulierungen der E-Zigarette. Das geht bis zum Verbot von Aromen. Damit soll das Dampfen für Jugendliche unattraktiver gemacht werden.
Diese Argumentation beinhaltet aber schon grundsätzlich einen gewaltigen Fehler. Man muss nichts für Jugendliche unattraktiv machen. Man muss ganz schlicht dafür sorgen, dass der Jugendschutz funktioniert. Das ist der Sinn von Jugendschutz. Erwachsene dürfen Erwachsenenzeug machen. Und man sorgt dafür, dass Jugendliche es nicht tun.
Wenn wir alles so regulieren, dass es weder für Jugendliche noch Erwachsene interessant ist, dann können wir die ganze Soße auch gleich lassen.
Aber gehen wir grundsätzlich noch mal einen Schritt zurück. Ich möchte eine Frage stellen, die viel zu selten gestellt wird. Dabei ist es eigentlich die entscheidende Frage: Ergibt der Jugendschutz bei der E-Zigarette überhaupt Sinn?
Drei Hauptargumente gibt es für den Jugendschutz:
1. E-Zigaretten schaden Jugendlichen.
2. Durch E-Zigaretten werden Jugendliche abhängig von Nikotin.
3. Durch E-Zigaretten fangen Jugendliche mit dem Rauchen an.
Das Thema mit der Schädlichkeit hab ich ja bereits lang und breit erklärt. Müssen wir Jugendliche wirklich vor Disconebel mit Geschmack schützen?! Es gibt Softdrinks, die nachweislich schädlicher sind als Dampfen. Wir erlauben unseren Kleinen ab 14 Jahren den Konsum von Alkohol. Der erste Schluck ist schon schädlicher als ein Monat dampfen.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Nikotin die Entwicklung von Jugendlichen negativ beeinflusst. Die einzigen Studien, in denen die Autoren das behaupten, wurden an Mäusen durchgeführt. Menschen sind aber keine Mäuse(31). Und die hier festgestellten Effekte konnten beim Menschen auch nicht beobachtet werden.
Doch Schädlichkeit ist bei Nikotin das eine. Für viele ist der Faktor Abhängigkeit noch viel wichtiger. Aber auch hier werden einige Menschen überrascht sein. Denn Nikotin ist gar nicht der “Suchtstoff” als der er gerne dargestellt wird. Viele Wissenschaftler sehen Nikotin seit der E-Zigarette in einem anderen Licht. Sie stellen Nikotin in seiner Wirkung und seinem Abhängigkeitspotenzial dem Koffein gleich(32).
Das spiegelt sich auch bei den Jugendlichen wider. In den USA zeigten 2019 nur 2,9% der Heranwachsenden, die E-Zigaretten konsumiert hatten, Zeichen einer Abhängigkeit(33). Wenn Jugendliche noch nie zuvor geraucht hatten, war das Risiko einer Abhängigkeit offenbar besonders gering.
Abhängigkeit hin, Schädlichkeit her. Es gibt noch ein Totschlagargument, das Dampfgegner immer wieder anführen. Es geht um den sogenannten Gateway-Effekt. Der besagt, dass Jugendliche durch die E-Zigarette irgendwann auf das Rauchen umsteigen. Dampfen wäre also nur ein Einstieg ins Rauchen. Diese Einstiegshypothese gibt es nicht nur bei der E-Zigarette. Die gleiche Logik wurde unter anderem auch schon bei Alkohol und Cannabis bemüht.
Doch diese Hypothese scheitert bereits sehr früh an der Realität. Denn sie ist nicht belegbar. Wenn ein Jugendlicher erst zur E-Zigarette und dann zur Zigarette greift, sagt das schlicht nichts aus. Natürlich ist es möglich, dass Dampfen ihn erst auf die Idee mit dem Rauchen gebracht hat. Aber es könnte auch genauso gut sein, dass er mit dem Rauchen in jedem Fall angefangen hätte. Auch ohne E-Zigarette.
Viele Komponenten spielen eine Rolle. Manche Menschen neigen eben eher zu Risiken und dem Gebrauch von Drogen. Ob aufgrund von Veranlagung, Elternhaus oder sozialem Umfeld. Das einzige, was man feststellen kann, ist ein Zusammenhang. Aber keine Ursächlichkeit.
Und in vielen Studien(34)(35)(36) konnte mittlerweile auch gezeigt werden, dass es keine Hinweise auf diesen Gateway-Effekt gibt. Mehr noch. In einigen Studien konnten sogar Hinweise darauf gefunden werden, dass die E-Zigarette Jugendliche möglicherweise präventiv davor bewahrt, mit dem Rauchen anzufangen(37)(38).
Es bleibt von den Argumenten der Befürworter des Jugendschutzes bei der E-Zigarette nicht wirklich was übrig. Im besten Fall kleine Konjunktive. Auf der anderen Seite ist es offensichtlich, dass nicht nur Erwachsene mit der E-Zigarette von der Kippe loskommen. Auch für bereits rauchende Jugendliche ist das Dampfen ein Weg weg vom Zigarettenqualm. Und es könnte sogar sein, dass die E-Zigarette einige Heranwachsende vor einer Raucherkarriere bewahrt.
Es mag am Anfang um den Schutz der Jugend gegangen sein. Doch ich glaube, mittlerweile geht es um etwas ganz anderes. Rauchen ist zu einem gesellschaftlich verpönten Verhalten geworden. Und das Dampfen einer E-Zigarette ähnelt diesem Verhalten. Viele setzen das eine mit dem anderen gleich. Obwohl es grundverschiedene Dinge sind.
Heute geht es nicht mehr um den Schutz vor Schaden. Es geht um ein Verhalten. Es geht darum, dass Jugendliche nicht etwas machen sollen, das wie Rauchen aussieht.
Dafür nimmt man in Kauf, jugendlichen und erwachsenen Rauchern die beste Methode für den Rauchstopp zu nehmen. Die beste Chance, ihre Gesundheit und vielleicht sogar ihr Leben zu retten.
Vielleicht sollten wir wenigstens ehrlich über einen Kompromiss reden. Wenn Rauchen ab 18 legal möglich ist, sollte die Grenze für das Dampfen zumindest auf 16 gesenkt werden. Wenn einer das Wolkeninhalieren ausprobieren will, dann doch wenigstens mit der vergleichsweise harmlosen Methode. Denn eines steht auf jeden Fall fest: Es wird immer Menschen geben, die Wolken inhalieren oder Nikotin konsumieren wollen. Besser auf die Art, die sie nicht kaputt macht und umbringen kann.
Studien auf Bestellung
Die Sache scheint klar. Was auch niemanden überraschen dürfte, der den Unterschied zwischen Rauch und Nebel versteht. Trotzdem entsteht immer wieder der Eindruck, so klar sei das Ganze doch nicht. Schließlich kommen Medien, Gegner der E-Zigarette und gerne auch mal Politiker mit anderen Studien um die Ecke. In denen sieht die E-Zigarette plötzlich nicht so harmlos aus. Wie kann das sein?
Vor allem liegt das an drei Gründen: Fehlender Kontext, unrealistische Versuche und falsche oder missinterpretierte Daten.
Es gibt viele Beispiele für fehlenden Kontext. Zum Beispiel in einer Studie, die wir schon hatten. Die, bei der Metalle im Nebel von E-Zigaretten gefunden wurden. Ohne Kontext konnte man diese Info sehr einfach aufblasen. Schließlich war da so was unangenehmes wie Blei dabei. Medien lieben das.
Stellt man die Zahlen aber in den richtigen Kontext, dann sieht die ganze Sache schon sehr viel anders aus. Denn die gefundenen Mengen sind extrem gering. Man müsste täglich zum Teil Literweise Liquid wegdampfen, damit es schädlich wird.
Das Gleiche hatten wir auch schon mit anderen Sachen wie Formaldehyd. Ja, es ist drin. Für Medien und Aktivisten reicht diese Info. Der Rest interessiert offenbar keinen mehr: Es ist weniger Formaldehyd, als im Atem eines Menschen.
Dann haben wir den Klassiker: Die selbstgemachte Realität. Entweder werden Verdampfer utopisch hoch überhitzt, so dass jeder gewünschte Schadstoff entsteht. Wie oft das schon passiert ist, zeigt eine französische Metastudie(39).
Oder man ertränkt Zellen in Unmengen Liquid. Und dann ist man natürlich medienwirksam entsetzt. Denn den Zellen bekam das gar nicht gut. Welch Wunder. Auf die Art könnte ich Ketchup zu einer hochgiftigen Mixtur erklären.
Auch sehr gern genommen wird das Mäusequälen. Man malträtiert Mäuse mit derartig unrealistisch großen Mengen an Nikotin, dass die schon vom Stress umkippen.
Eigentlich müssten sämtliche Ergebnisse dieser Studien sofort in die Mülltonne. Stattdessen landen sie auf den Tischen überschriftengeiler Redaktionen.
Und zum Schluss gibt es noch den Bodensatz wissenschaftlichen Schaffens. Studien, in denen man sich die Daten so hinbiegt, wie man sie braucht. Das bekannteste Beispiel dafür dürfte die Herzinfarktstudie von Stanton A. Glantz sein(40). Hier wollte Glantz einen kausalen Zusammenhang zwischen der Nutzung von E-Zigaretten und dem Risiko für Herzinfarkt gefunden haben. Er hatte dabei jedoch einen Anfängerfehler gemacht. Er zählte auch Herzinfarkte, die stattfanden, bevor derjenige überhaupt mit dem Dampfen angefangen hatte. In meinen Augen macht man so einen Fehler nicht aus Versehen. Dafür ist er zu offensichtlich. Es hagelte dementsprechend viel Kritik aus der Wissenschaftswelt. Und so sah sich das “Journal of the American Heart Association” gezwungen, diese katastrophale Studie zurückzuziehen(41).
Natürlich war sie zuvor schon durch alle Medien gepeitscht worden. Dass die Studie zurückgezogen wurde, interessierte am Ende aber keine Redaktion mehr.
Ein kleines Fazit
Die Fakten liegen auf dem Tisch. Zumindest wenn man den ganzen Wissenschaftsschrott weglässt. Die wenigen möglichen Risiken der E-Zigarette sind rein hypothetischer Natur. Einen Beleg für irgendeine relevante Schädlichkeit gibt es bis heute nicht. Nach fast 20 Jahren.
Natürlich gibt es das Dampfen noch keine hundert Jahre. Vielleicht fällt ja allen Dampfern in 50 Jahren plötzlich der Dödel ab. Auch den Frauen. Aber das ist halt nicht realistisch. Wir brauchen keine hundert Jahre um seriös abschätzen zu können, wie sicher Dampfen ist.
Die Unsicherheit bei einzelnen Aromen ist händelbar. Aromen die schaden, müssen verboten werden. Auf der Grundlage klarer wissenschaftlicher Fakten. So läuft das überall. Und das funktioniert.
Das Thema Dampfverbot an öffentlichen Orten sollte überhaupt kein Thema sein. Da ist nichts, vor dem irgendjemand geschützt werden müsste. Es gibt keine sachliche Grundlage für Verbotsgesetze. Schutz vor Belästigung durch Disconebel mit Geschmack ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers.
Der Jugendschutz muss bei der E-Zigarette neu gedacht werden. Ohne ideologische Scheuklappen. Der Nutzen der E-Zigarette überwiegt die möglichen Risiken bei weitem. Die meisten Raucher haben in ihrer Jugend angefangen. Genau da muss bereits die E-Zigarette ansetzen. Bevor das Kind im Brunnen paddelt.
Dampfen ist nicht rauchen. Dampfer sind Nichtraucher. Die E-Zigarette ist keine Komplizin des Rauchens, sie ist sein größter Feind. Dabei die beste Freundin der Raucher. Sie ist die größte Chance im Kampf gegen das Rauchen und für die Raucher. Denn das Problem ist nicht ein Verhalten. Das Problem ist die Schädlichkeit. Das müssen wir kapieren. Nur dann können wir diese Chance nutzen. Es geht um Millionen von Menschenleben.
(To the English version.)
Quellen
(1) Public Health England: Nicotine vaping in England: 2022 evidence update summary
(2) Rachel Murkett et al.: Nicotine products relative risk assessment: an updated systematic review and meta-analysis
(3) Romain Dusautoir et al.: Comparison of the chemical composition of aerosols from heated tobacco products, electronic cigarettes and tobacco cigarettes and their toxic impacts on the human bronchial epithelial BEAS-2B cells
(4) Pablo Olmedo et al.: Metal Concentrations in e-Cigarette Liquid and Aerosol Samples: The Contribution of Metallic Coils
(5) Konstantinos E. Farsalinos et al.: Metal emissions from e-cigarettes: a risk assessment analysis of a recently-published study
(6) Jonathan B. Berlowitz et al.: E-Cigarette Use and Risk of Cardiovascular Disease: A Longitudinal Analysis of the PATH Study (2013–2019)
(7) Konstantinos E. Farsalinos et al.: Is e-cigarette use associated with coronary heart disease and myocardial infarction? Insights from the 2016 and 2017 National Health Interview Surveys
(8) Jacob George et al.: Cardiovascular Effects of Switching From Tobacco Cigarettes to Electronic Cigarettes
(9) Steven Cook et al.: Time-varying association between cigarette and ENDS use on incident hypertension among US adults: a prospective longitudinal study
(10) Ellen Boakye et al.: Examining the association of habitual e-cigarette use with inflammation and endothelial dysfunction in young adults: The VAPORS-Endothelial function study
(11) Laura M. Paulin et al.: Association of tobacco product use with chronic obstructive pulmonary disease (COPD) prevalence and incidence in Waves 1 through 5 (2013-2019) of the Population Assessment of Tobacco and Health (PATH) Study
(12) Steven F. Cook et al.: Cigarettes, ENDS Use, and Chronic Obstructive Pulmonary Disease Incidence: A Prospective Longitudinal Study
(13) William E. Stephens: Comparing the cancer potencies of emissions from vapourised nicotine products including e-cigarettes with those of tobacco smoke
(14) ECHA: Annex to a news alert ECHA/NA/16/37
(15) Blaine Phillips et al.: Toxicity of the main electronic cigarette components, propylene glycol, glycerin, and nicotine, in Sprague-Dawley rats in a 90-day OECD inhalation study complemented by molecular endpoints
(16) Michael S. Werley: Non-clinical safety and pharmacokinetic evaluations of propylene glycol aerosol in Sprague-Dawley rats and Beagle dogs
(17) Umweltbundesamt: Richtwert für Propan-1,2-diol (Propylenglykol) in der Innenraumluft
(18) Gerald Wölkart et al.: Effects of flavoring compounds used in electronic cigarette refill liquids on endothelial and vascular function
(19) Wolfgang Schober et al.: Expositionsstudie zur Passivrauchbelastung durch elektrische Zigaretten (E-Zigaretten)
(20) Ester Marco et al.: A rapid method for the chromatographic analysis of volatile organic compounds in exhaled breath of tobacco cigarette and electronic cigarette smokers
(21) Konstantinos E. Farsalinos: New study proves there is no second-hand vaping: e-cigarette aerosol contains less volatile compounds than normal exhaled breath
(22) Wouter F. Visser et al.: The Health Risks of Electronic Cigarette Use to Bystanders
(23) Christophe Lanteri et al.: Inhibition of Monoamine Oxidases Desensitizes 5-HT1A Autoreceptors and Allows Nicotine to Induce a Neurochemical and Behavioral Sensitization
(24) Karl Fagerström: Dependence on tobacco and nicotine
(25) Saul Shiffman et al.: Dependence on e-cigarettes and cigarettes in a cross-sectional study of US adults
(26) Jessica Yingst et al.: Changes in Nicotine Dependence Among Smokers Using Electronic Cigarettes to Reduce Cigarette Smoking in a Randomized Controlled Trial
(27) Jamie Hartmann-Boyce et al.: Electronic cigarettes for smoking cessation (Cochrane)
(28) Jeremy Y. Levett et al.: Efficacy and Safety of E-Cigarette Use for Smoking Cessation: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials
(29) Ping Du et al.: Changes in E-Cigarette Use Behaviors and Dependence in Long-term E-Cigarette Users
(30) Jamie Hartmann-Boyce et al.: Biomarkers of potential harm in people switching from smoking tobacco to exclusive e-cigarette use, dual use or abstinence: secondary analysis of Cochrane systematic review of trials of e-cigarettes for smoking cessation
(31) Junhee Seok et al.: Genomic responses in mouse models poorly mimic human inflammatory diseases
(32) Royal Society for Public Health: Nicotine “no more harmful to health than caffeine”
(33) Martin Jarvis et al.: Epidemic of youth nicotine addiction? What does the National Youth Tobacco Survey 2017-2019 reveal about high school e-cigarette use in the USA?
(34) Sandra Chyderiotis et al.: Does e-cigarette experimentation increase the transition to daily smoking among young ever-smokers in France?
(35) Natalie Walker et al.: Use of e-cigarettes and smoked tobacco in youth aged 14–15 years in New Zealand: findings from repeated cross-sectional studies (2014–19)
(36) Ruoyan Sun et al.: Is Adolescent E-Cigarette Use Associated With Subsequent Smoking? A New Look
(37) Dr. Lion Shahab et al.: Association of initial e-cigarette and other tobacco product use with subsequent cigarette smoking in adolescents: a cross-sectional, matched control study
(38) Natasha A. Sokol et al.: High School Seniors Who Used E-Cigarettes May Have Otherwise Been Cigarette Smokers: Evidence From Monitoring the Future (United States, 2009-2018)
(39) Sebastian Soulet et al.: Critical Review of the Recent Literature on Organic Byproducts in E-Cigarette Aerosol Emissions
(40) Stanton A. Glantz et al.: Electronic Cigarette Use and Myocardial Infarction Among Adults in the US Population Assessment of Tobacco and Health
(41) Journal of the American Heart Association: Retraction to: Electronic Cigarette Use and Myocardial Infarction Among Adults in the US Population Assessment of Tobacco and Health